Christians Rede zur Neufassung des Landesrahmenvertrags zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe

Bei der 7. Sitzung des Kreistages am 09.10.2024, hielt Christian Judith folgende Rede zur Neufassung des Landesrahmenvertrags nach § 131 SGB IX zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für das Land Schleswig-Holstein. Der Kreistag stimmte dem Rahmenvertrag mit großer Mehrheit, parteiübergreifend zu und ermächtigt dadurch den Landrat, diesen zu unterzeichnen.

Lieber Herr Kreispräsident und Herr Landrat,
sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen und alle andern, die noch dabei sind.

Es ist gemein: jetzt beim letzten Punkt muss ich auch noch etwas sagen und Sie und Euch aufhalten. Das Tolle ist: ich kann es! Ich kann es deshalb ganz wunderbar machen, weil wir hier ein tolles höhenverstellbares Rednerinnenpult haben, das ich gut nutzen kann. Das ist großartig und es zeigt, wie Inklusion und Partizipation gelebt werden können.

Doch nun zum Thema: „Der Landesrahmenvertrag“.

Vorab Herr Buschmann: Sie baten um unsere Zustimmung zu der Rahmenvereinbarung. Ich bin für die Zustimmung.

Doch nun zu meinen inhaltlichen Gedanken. Ich werde mich auf die Begrifflichkeit der Partizipation und der Teilhabe in der Rahmenvereinbarung beschränken.

Das Papier – der Landrat hat es beschrieben – ist sehr ausführlich, sehr lang, es ist 72 Seiten stark und beinhaltet ganz ganz viele Worte: Ganz viele wichtige Ideen, ganz viele Begrifflichkeiten zu Fragen der Abrechnung. Der Landesrahmenvertrag beschreibt, für welche Leistungen welches Geld gezahlt wird. Er ist geschlossen worden zwischen den Leistungsträgern und den Leistungserbringern.

Das klingt erst mal ganz logisch und einfach. Doch hier fehlt jemand, nämlich die Leistungsempfänger:innen. Diese tauchen in dieser Vereinbarung nicht wirklich auf, sie sind nicht Bestandteil dieser Vereinbarung. Sie sind lediglich das Objekt, um das herum gehandelt wird.

In der Begründung des Landrats steht:

Die maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen wirken bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mit.

Doch es steht leider nicht dort:

Die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen wirken bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge maßgeblich mit.

Und diese Gewichtung macht einen deutlichen Unterschied.

Das ist schade. Eigentlich wäre es sehr schlau, Vereinbarungen zu treffen zwischen Leistungsempfänger und Leistungserbringer beziehungsweise zwischen Leistungsempfänger und Leistungsträger. Leider schafft das dieser Rahmenvereinbarung noch nicht.

Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum Begriffe wie Teilhabe und Partizipation hier selten auftauchen. Auf diesen 72 Seiten Rahmenvereinbarung taucht der Begriff Partizipation nur neunmal auf und dann leider meist sehr unkonkret.

Schauen uns das einmal genauer an.

In der Anlage fünf wird die Leitung aufgefordert, Konzepte zu entwickeln für Sozialräume, Orientierung, Partizipation, Gewaltschutz etc. .

Doch wie und mit wem?

Es wird davon gesprochen, dass Mitwirkung und Mitbestimmung in den Einrichtungen auskömmlich finanziert sein sollen. Doch was heißt auskömmlich finanziert? Darüber finden wir nichts.

Schauen wir es uns weiter an, wofür Räume in Gebäuden gedacht sind, dann wird dort alles aufgezählt: der Hausmeisterraum, der Personalaufenthaltsraum, die Personal-WCs, die Räume für Leitung und Verwaltung. Doch ein Raum für die Interessenvertretung, für die Selbstvertretung der Klient:innen findet sich nirgends.

Am Anfang des Papiers steht eine Präambel in dort heißt, es ich zitiere:

„Die Leistungen der Eingliederungshilfe orientieren sich an den Zielen und Inhalten des Übereinkommens für die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN BRK)“.

Die UN-Konvention soll dazu dienen, die Selbstbestimmung sowie die volle und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohter Menschen zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden und ihnen entgegenzuwirken und die den Menschen mit Behinderung innenwohnen Würde zu achten.

Das sind wirklich tolle und große Worte. Doch der Geist, der dort in den ersten Zeilen formuliert wird, findet sich in dem Papier dieses Vertrags leider kaum wieder.

Etwas hat mir allerdings sehr viel Mut gemacht, und zwar der Paragraph 33 ab Seite 38:

„Modellprojekte und Zielvereinbarungen

Zur Erprobung neuer und zur Weiterentwicklung bestehender Strukturen der Leistungserbringung und ihrer Finanzierung können die Träger der Eingliederungshilfe und die Leistungserbringer unter Einbeziehung der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung Zielvereinbarungen treffen und Modellprojekte vereinbaren, die von den Bestimmungen des Landesrahmenvertrags abweichen.“

Demnach ist es möglich, dass wir Modellprojekte initiieren, die dem Geist der Präambel entsprechen. Ich würde mich total freuen, wenn wir so etwas in unserem Kreis schaffen würden: Projekte der Eingliederungshilfe zu entwickeln, die von Menschen mit Behinderung und für Menschen mit Behinderung erdacht, entwickelt, konzeptioniert werden.

Ich freue mich total darauf, das mit Ihnen gemeinsam zu gestalten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.