Carl´s Rede zum Haushalt ’24 des Kreises 18. Dezember 202318. Dezember 2023 Bei der 3. Sitzung des Kreistages am 13.12.2023, hielt Carl Christian Deutsch (stellv. Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses) folgende Rede zum Haushaltsentwurf 2024 des Kreises Schleswig-Flensburg. Mit der Haushaltssatzung und dem strategische Projektportfolio wurde der Haushalt des Kreises für das Jahr 2024 verabschiedet. Ausgenommen wurden die Anschaffung eines Partizipationsmobils und 2,25 Stellen, die mit einem Sperrvermerk versehen wurden. Carl Christian Deutsch: Sehr geehrter Herr Kreispräsident, Herr Landrat, meine Damen und Herren Kollegen, meine sehr geehrte Damen und Herren, mir fällt die Aufgabe zu, den Standpunkt der Fraktion der Grünen zur Haushaltssatzung des Kreises Schleswig-Flensburg für das Jahr 2024 darzustellen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wir werden der Haushaltssatzung im Wesentlichen zustimmen. Sie wissen, im Detail sind die Haushaltsansätze, die letzten 0,87 € des Haushaltsansatzes, für die Politik nicht wirklich nachvollziehbar, der vorgelegte Entwurf erscheint aber sehr plausibel, gut und sorgfältig durchdacht und auch angemessen. Er ist vor allem ausgewogen und zeitgemäß. Ein Großteil meiner Fraktion und auch ich bin neu in dem Metier. Lassen Sie mich deshalb sagen, dass ich positiv überrascht bin, in welchem Ausmaß der Kreis – und zwar sowohl die Verwaltung als auch die Politik – den Willen und auch den Optimismus zu einer sehr vernünftigen Gestaltung der Zukunft hat. Der Etat adressiert ernsthaft bemüht die gravierenden Themen der Gegenwart: Klimawandel, Energiewende, den grassierende Flächenverbrauch, den Folgen des sozialen und demografischen Wandels und die herausfordernde Mobilitätswende. Über die Details und die Schwerpunktsetzung im Einzelnen kann man streiten, im Großen und Ganzen jedoch gibt es nichts zu meckern. Der Inhalt des Projektportfolios, ich zitiere auszugsweise: Reform des öffentlichen Gesundheitsdienstes, DLZ, Compliance, Diskussion eines Leitbildes, die Digitalisierung, smarte Grenzregion, klimaneutrale Kreisverwaltung, PiA (praxisintegrierte Ausbildung zu staatlich anerkannten Erzieher*innen und sozial-pädagogischen Assistent*innen in Kindertagesstätten), Barriereabbau, Partnerschaft für Demokratie, Ausweitung der Schuldnerberatung, interkulturelle Öffnung, Verbesserung des Krisenmanagements, und, heute beschlossen, die Installation einer ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeitsstrategie, und, nicht zuletzt der von uns gemeinsam beschlossene Masterplan Ostsee – all das sind Projekte und Aufgaben, die ich Grüner und Fan des sozialen Rechtsstaats nicht nur gut nachvollziehen kann, sondern die Teil meiner politischen Agenda sind. Was will ich mehr? Die Mehraufwendungen sind im ganz wesentlich Folge von Pflichtaufgaben, die uns vom Bundesgesetzgeber auferlegt sind und sich daher unserem Einfluss entziehen. Besonders nachdenklich gestimmt hat mich die Tatsache, dass der größte Einzelposten des Kreishaushalts für Kinder- und Jugendhilfe auszugeben ist und dass sich dies in den letzten Jahren verschoben hat – weg von Transferleistungen an Erwachsene hin zur Unterstützung von Kindern und Jugendlichen. Aus dem (gesellschaftlichen) Ruder gelaufen sind dabei sowohl die Zahl der Fälle als auch das qualitative Gewicht des einzelnen Falles. Woran liegt das? Diese Entwicklung wird gesellschaftliche Folgen haben, insbesondere, wenn wir dem nicht – auch durch Mitteleinsatz – energisch entgegenwirken. Aus dem Blickpunkt der berühmten schwäbischen Hausfrau muss begeistern, dass es keine Neuverschuldung, jedenfalls nicht aus investiven Ausgaben gibt. Ob das gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist, haben wir hier nicht zu entscheiden. Wir begrüßen ebenfalls, dass der Kreis beabsichtigt, die Senkung der Kreisumlage im Jahr 2025 rückwirkend möglicherweise auch für das nächste Jahr anzugehen. Es macht Sinn, darüber nachzudenken, die Kommunen an den erfreulichen Ergebnissen der letzten Jahre zu beteiligen. Ich weiß, dass der finanzielle Spielraum der Gemeinden viel zu gering ist, um dort wirkungsvoll Politik gestalten zu können. Wir haben uns, was die drei streitigen Stellen angeht, nicht einigen können – so ist das bei uns Grünen. Da nicht zu übersehen ist, dass es auf uns nicht ankommt, haben wir uns entschieden, auf die Fraktionsdisziplin zu verzichten. Ich allerdings hätte auch dem Stellenplan insoweit zugestimmt und will die Chance nutzen, dies zu begründen. Die Inhaberinnen oder Inhaber der drei Stellen sollen ganz wesentliche Schnittstellen der zukünftigen Kreisverwaltung gestalten, oder, besser, mithelfen diese zu gestalten, weil wir, die Politik, dies letztlich zur Aufgabe hat. Ziel der anstehenden Personalentscheidung ist, die Kreisverwaltung zukunftssicherer zu machen. Es geht darum, alle nur möglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, zu vermeiden, dass Planungs- und Managementfehler zu Millionenschäden und Ansehensverlust führen. Im Einzelnen: Projektleitung Organisationsmodellierung (1,0 VZÄ) Es geht um die bauliche Ausgestaltung der Schnittstelle zum Bürger und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter des Kreises in der Zeit nach 2030 und für einen großen Zeitraum danach. Ein Projekt dieses Umfangs zu beschließen, ohne eine fundierte Vorstellung von der möglichen Verfasstheit der öffentlichen Verwaltung in den Jahrzehnten nach 2030 zu haben, ist unverantwortlich. Jede Bauentscheidung muss die Antwort auf die Frage parat haben, wie die Verwaltung aussieht, die das neue Gebäude bezieht. Die öffentliche Verwaltung befindet sich durch mobiles Arbeiten, beispielsweise im Homeoffice, durch Digitalisierung auch des Kontakts zum Bürger, durch die elektronische Vorgangsbearbeitung und weitere, heute in der Tragweite bisher nicht absehbare Faktoren – Beispiel: Einsatz von KI – in einem rasanten Wandel, den es in die Planungen einzubeziehen gilt. Es macht deshalb einfach keinen Sinn, ausgerechnet an dieser Stelle zu sparen. Ein Blindflug ist durch nichts zu rechtfertigen. Diese Entscheidung kann auch nicht outgesourced werden, weil es unsere Aufgabe ist, diese strategische Entscheidung zu treffen. Der Landrat und seine Mitarbeiter haben nicht zuletzt aus diesem Grund immer wieder darauf hingewiesen, dass die Besetzung dieser Stelle unabdingbare Voraussetzung für den Fortgang des Projekts DLZ ist. Was für ein Interesse sollte die Politik haben, dieses Projekt, das ja als solches bereits beschlossen ist, für eine längere Zeit lahmzulegen? Ich habe inzwischen drei der 17 Dependenzen der Kreisverwaltung kennengelernt – ich kann nur sagen, dass ich jeden gut verstehen kann, der auf eine möglichst alsbaldige Beendigung dieses unwürdigen Zustandes hinarbeitet. Im Übrigen: Auch das Projekt, das die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter bearbeiten soll, haben wir im Hauptausschuss bereits beschlossen. Welchen Sinn soll es machen, dann das Personal nicht zu bewilligen? Betriebliches Gesundheitsmanagement (0,5 VZÄ) Diese Aufgabe betrifft einen Teil der Schnittstellen zwischen dem Kreis und seinen Mitarbeitern. Eine Verwaltung kann nur so gut sein wie seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deshalb ist es nicht nur ein notwendiges Zeichen der Wertschätzung, sondern blankes Eigeninteresse, sich auch um die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu kümmern. Dies betrifft nicht nur die Organisation von Veranstaltungen, wie Gesundheitstagen, Betriebssportgruppen und Ähnliches, sondern auch die Bedarfserhebung in diesem Umfeld, die ein Frühwarnsystem für fehlgeleitete Prozesse sein kann. Es gibt im Übrigen eine gesetzliche Verpflichtung aus § 167 Abs. 2 SGB IX, längere Zeit erkrankten Betriebsangehörigen ein betriebliches Eingliederungsmanagement, kurz BEM, das niedrigschwellig und aufsuchend zu sein hat, anzubieten. Das alles ist bei einer Behörde von 1000 Mitarbeitern mit einem üblicherweise beachtlichen Anteil an Langzeiterkrankten mit nur einer halben Stelle nicht zu bewältigen. Ich weiß dies aus eigener Erfahrung, weil ich mal versucht habe, als stellvertretender Leiter einer größeren Behörde das Gesundheitsmanagement mitzuerledigen. Im Übrigen ist ein Gesundheitsmanagement auch Gegenstand einer Vereinbarung des Landes mit den Gewerkschaften. Die Vernachlässigung dieser Aufgabe zieht Langzeitfolgen, die der Kreisverwaltung und dessen Ansehen bei Mitarbeitern und Bürgern nur schaden kann. Bürger*innenservice (0,75 VZÄ) Aufgabe dieser Mitarbeiterin, dieses Mitarbeiters ist die abstrakte Gestaltung der Schnittstellen zwischen dem rat-, hilfe- und rechtssuchenden Bürger und der Kreisverwaltung. Es geht um die Ermittlung von Ausmaß, Form und Qualität des Servicebedarfs der Bürgerinnen und Bürger, die Gestaltung der diese Anforderungen erfüllenden Servicepunkte und den Abgleich mit den Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter des Kreises. Hier zu sparen, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Dies ist doch der wesentlichste Gesichtspunkt, der das Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung und damit das Ansehen des Kreises bestimmt. Hier in Kauf zu nehmen, am Bedarf gleichsam vorbeizuproduzieren, kann doch keinesfalls sinnvoll sein. Wenn der Landrat und die Verwaltung uns empfehlen, neue Stellen zu bewilligen, ist es als Vertrauensvorschuss erst einmal geboten, zuzuhören und dann eingehend zu prüfen, ob es valide Argumente gegen die Begründung der Notwendigkeit neuer Stellen gibt. Ich habe deshalb Probleme mit dem Argument „Ich bin nicht überzeugt“. Hier wird die Holschuld mit einer Bringschuld verwechselt. Ich kann mich nicht zurücklehnen und solange zuwarten, bis mich jemand überzeugt hat, sondern, wenn der Vorschlag gut und nachvollziehbar begründet ist, liegt es an mir, sachliche und begründete Argumente gegen den Vorschlag vorzubringen. Daran fehlt es bis jetzt. Ich bin in einem früheren Leben Anwalt gewesen und habe mal einem Mandanten, der einen Prozess verloren hat, gesagt: „Ich habe getan, was ich konnte.“ Das war ein schwerer Fehler, die Antwort war nämlich: „Dann hat das wohl nicht gereicht“. Ich habe diesen Fehler nie wiederholt. Der Satz: „Ich bin nicht überzeugt“ ist von ähnlicher Qualität. Auch er ist eine Aussage über den Sprecher und nicht über den Gegenstand des Gesprächs. Auch er lässt offen, wessen Fehler das Unverständnis ist. Überzeugung ist das Ergebnis einer Prüfung und Abwägung von Argumenten – und selbst kein Argument. Es geht insgesamt um 2,25 Stellen, das sind nach Köpfen 0,2 % oder 2 ‰ der Gesamtmitarbeiterzahl der Kreisverwaltung, wenn man die möglichen Kosten der Stellen p.a. mit dem Gesamtausgabevolumen des Kreises von einer ½ Milliarde € im Jahre 2024 vergleicht, kommt man zu deutlich geringeren Quoten. Es wird deutlich, dass die eingesparten Kosten die erheblichen möglichen Folgekosten einer Nichtbesetzung keinesfalls rechtfertigen. Ich plädiere deshalb mit Nachdruck dafür, die Stellen zu bewilligen. Auf einen letzten Punkt, den unsere Fraktion machen möchte, will ich noch hinweisen: Wir können grundsätzlich der Idee, dem ständigen Aufwuchs der Kreisverwaltung entgegenzuwirken, einiges abgewinnen. Es hat in den letzten zehn Jahren – ohne das Jobcenter — einen Personalzuwachs von 466 auf 811 Stellen gegeben, das entspricht einer Zunahme von fast 75 %! Ich bezweifele keinesfalls, dass jede dieser Entscheidungen gut begründet und auch erforderlich war. Das Gesamtbild ist jedoch nicht gut und kann keinesfalls so weitergehen. Die öffentliche Verwaltung muss sich insbesondere angesichts des Fachkräftemangels, aber auch aus fiskalischen Gründen umstellen und versuchen, mit weniger Personal auszukommen. Ich weiß aus Erfahrung, dass dies wahrscheinlich nur mit dem „Rasenmäher“ geht, weil es unmöglich ist, halbwegs stressfrei überflüssiges Personal zu identifizieren. Jede einzelne Abteilung muss lernen, durch welche produktivitätssteigernden Mittel auch immer, mit einem gewissen Prozentsatz weniger Mitarbeiter auszukommen und sich diesen Anstrengungen dann auch unterziehen. Vielleicht kann man dies als Ausgleich für die anstehende Personalentscheidung nehmen: Wir installieren eine Arbeitsgruppe, die es sich zur Aufgabe macht, dieser Idee nachzugehen und winken dann die beantragten Stellen durch. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.